Elder Mediation

1. Präambel

Elder Mediation verdient die Würdigung als eigenständiges Thema in der Mediationswelt des BM e.V., angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen in Zeiten des demografischen Wandels, der Beschleunigung und Digitalisierung der Arbeitswelt sowie kontinuierlicher Veränderung der Lebensrealität in (Groß-)Familien. 

In diesem Kontext steht Elder Mediation nicht nur für eine bestimmte Form der Konfliktbearbeitung sondern auch für die Würdigung von Alter und Lebenserfahrung, für einen fairen und respektvollen Umgang mit älteren und hochbetagten Menschen und die Rücksichtnahme auf besondere, typischerweise in späten Lebensphasen auftretende Anforderungen. Dies gilt gleichermaßen für die Bereiche Gesellschaft, Familie und Betrieb - selbstverständlich in der konkreten Mediation unter Berücksichtigung der jeweils gleichberechtigten Interessen der anderen Parteien.

2. Definition

Elder Mediation ist Mediation, bei der die MediandInnen Alter bzw. die Konsequenzen des Älterwerdens als ein Thema ihres Konfliktes wahrnehmen. Der Konflikt, der in der Mediation bearbeitet wird, kann im privaten oder beruflichen Zusammenhang entstanden sein. Häufig, aber nicht immer, sind generationenübergreifende Systeme betroffen. Elder Mediation richtet sich an ältere Menschen und ihr Umfeld mit dem Ziel, Konflikte zu deeskalieren und bestehende Netzwerke zu stärken.
Schon im Vorfeld werden manche zu erwartenden Themen von Mitgliedern eines sozialen Netzes als Problem wahrgenommen, z. B. die Sorge der Kinder, wenn der Vater noch im hohen Alter Auto fährt - noch kein Unfall passiert ist - aber die Angst davor da ist; oder durch die Demenzerkrankung eines Elternteils Angehörige Angst davor haben, dass die Eltern in baldiger Zukunft nicht mehr ohne Hilfe zu Hause klar kommen könnten. Hier kann schon im Vorfeld - bevor die Situationen eskalieren- mit mediativer Begleitung gemeinsam nach guten Lösungen für die Zukunft gesucht werden.

Erläuterungen zur Definition:

  • Bewusst wurde darauf verzichtet, Alter anhand der Anzahl der gelebten Jahre eines Beteiligten zu definieren Die Wahrnehmung von Alter und vom Vorgang des Alterns wird individuell sehr unterschiedlich erlebt und ist stark von subjektivem Empfinden geprägt.
  • Da Elder Mediation nicht ausschließlich im Familien- oder im Kollegenkreis stattfindet, wurde der neutrale Fachbegriff »System« verwendet.

 

3. Anwendungsfelder

Die folgende, nicht abgeschlossene Liste führt Konstellation auf, in denen der Einsatz von Elder Mediation sinnvoll erscheint:

  • Mediationen in familiärem Umfeld
    • Generationsübergreifende Konflikte in Familien
    • Paarkonflikte beim Übergang in den Ruhestand / Lebensgestaltung nach der beruflich aktiven Phase
    • Präventive Gespräche zur aktiven (Mit-)Gestaltung der nächsten Lebensphasen
       
  • Mediationen mit Themen rund um Pflege und Gesundheit
    • Konflikte in der Ambulanten und Stationären Pflege
    • Gute gemeinsame Entscheidungen treffen (Sonde legen oder nicht?)
    • Häusliche Pflege
       
  • Mediationen mit Bezug auf das Wohnumfeld
    • Konflikte in Senioren -WGs
    • Generationsübergreifende Wohnprojekte
    • Konflikte in Senioren- und Pflegeeinrichtungen
       
  • Mediationen am Arbeitsplatz
    • Generationenübergreifende Teams in Organisationen
    • Altersdiskriminierung in Organisationen
    • Krisensituationen durch Krankheit/ Trauer
       
  • Mediationen mit rechtlichem Bezug
    • Konflikte zwischen Selbstbestimmung und rechtlicher Betreuung (§§ 1896 - 1908 k BGB)
    • Erbschaft, Regelung von Nachlässen
    • Unternehmensnachfolge

Die obige Liste zeigt, dass einige Themen der Elder Mediation in der Mediationslandschaft nicht neu sind. Erbschaft und Unternehmensnachfolge sind zum Beispiel bereits seit vielen Jahren typische Anwendungsfelder von Mediation. Sie werden bisher in der Familienmediation oder in der Wirtschaftsmediation verortet. Elder Mediation hat deshalb (mindestens) mit diesen beiden Mediationsbereichen Schnittmengen. Gleichzeitig bildet sich Elder Mediation jedoch auch als eigenständiges Fachgebiet heraus, was insbesondere durch die nachfolgende Beschreibung der besonderen Anforderungen an MediatorInnen deutlich wird.

4. Besondere Anforderungen an MediatorInnen

4.1 Fachkenntnisse zum Umgang mit älteren Menschen
MediatorInnen sollten über Kenntnisse aus dem Bereich der Gerontologie verfügen und ausgewählte Methoden aus der Altenpflege oder -hilfe selbst anwenden können. Dies sind zum Beispiel:

  • Kenntnisse der Entwicklungspsychologie im Alter
  • Kenntnisse über Altersprozesse, typische Krankheiten und Krankheitsverläufe
  • Angemessenheit der Sprache, Gesprächsführung und der Darstellungsformen in der Mediation (z.B. besonders große, deutliche Schrift)
  • Biografiearbeit
  • Umgang mit Trauer und Tod
  • Kenntnisse der Palliativbegleitung
  • Grundkenntnisse psychischer Störungen, psychiatrischer Erkrankungen, Demenz
  • Validation als Gesprächstechnik
  • Bereitschaft die Mediation an unterschiedlichen Orten durchzuführen (Fahrwege, z.B. wenn MediandInnen nicht mehr mobil sind)

4.2 Fachkenntnisse zu Möglichkeiten der Altenunterstützung
MediatorInnen sollten entweder selbst grundlegende Kenntnisse darüber haben, welche Möglichkeiten der Versorgungssysteme für ältere Menschen oder Formen der Altenhilfe es in Deutschland gibt oder sie sollten über ein Netzwerk verfügen, das ihnen im konkreten Fall beratend zur Seite stehen kann. 

Notwendig sind zum Beispiel Kenntnisse über alternative Wohn- und Pflegemöglichkeiten (z.B. Pflege zu Hause durch ambulante Pflegedienste, Angestellte oder Angehörige, betreutes Wohnen, Pflege im Heim, Senioren-WGs, etc) und die damit verbundenen Konsequenzen (Finanzierung, psychische Belastung der Angehörigen, rechtliche Aspekte...).
Neben der Wohnumfeldgestaltung geht es um zahlreiche weitere Formen der Unterstützung, die den älteren Menschen eine möglichst umfassende und ihren Wünschen entsprechende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen sollen.

4.3 Besonderheiten der Mediation
Besondere Aufgabe der Mediatorin / des Mediators im Fachgebiet Elder Mediation ist es, sicher zu stellen, dass alle Beteiligten die Möglichkeit haben, in der Mediation gleichermaßen gehört zu werden und dass ihre Fähigkeit zur Teilnahme an der Mediation gegeben ist. Dazu sind zwei Grundvoraussetzungen zu beachten: Zunächst müssen alle MediandInnen in der Lage sein, dem Verfahren zu folgen. Das Verfahren muss entsprechend angepasst werden (zum Beispiel durch häufigere Pausen, die Wahl einer angemessenen Sprache oder die Verwendung von Tafeln mit besonders großer Schrift). Sollte der Eindruck entstehen, dass ein Mediand/ eine Mediandin dem Verfahren nicht folgen kann, so muss der Mediator/die Mediatorin das Verfahren ändern oder letztlich sogar den Abbruch in Betracht ziehen.

Außerdem achten MediatorInnen besonders darauf, dass Personen mit eingeschränkter Ausdrucksfähigkeit (z.B. durch Demenz, Schlaganfall) ausreichend Raum erhalten, um ihre Interessen darlegen zu können. Möglicherweise kann eine Vertrauensperson gefunden werden, die als Sprecher des Betroffenen auftritt. Falls kein Sprecher gefunden wird oder gewünscht wird, übernimmt die Mediatorin / der Mediator eine Verantwortung für die Rechte dieser Personen, was zu einem Konflikt im Hinblick auf die Allparteilichkeit führen kann. Die Mediatorin / der Mediator sollte sich im Vorfeld der Mediation mit dem Thema Allparteilichkeit und deren Grenzen nochmals gezielt auseinandersetzen. Es erscheint sinnvoll, auftretende (innere) Allparteilichkeits-Konflikte der Mediatorin /des Mediators mit den MediandInnen zu besprechen.

4.4 Arbeit mit Gruppen
Typisch für Elder Mediation ist, dass häufig mehr als 2 MediandInen an der Mediation teilnehmen. Es kommen zum Beispiel die Bewohner einer Senioren-WG, fünf Betroffene eines Familiensystems oder ein generationenübergreifendes Team. MediatorInnen sollten deshalb Kenntnisse in Gruppendynamik und -mediation haben.
 

5. Vernetzung

Elder MediatorInnen benötigen eine große Bandbreite an Kenntnissen und Fähigkeiten. Sie pflegen deshalb unter anderem Austausch und Vernetzung mit MediatorInnen aus anderen Fachbereichen sowie mit VertreterInnen von anderen Berufsgruppen, von Wissenschaft und Fachverbänden. Der Austausch kann zum Beispiel in Form von Co-Mediationen, Experten-Konsultationen oder gemeinsam organisierten Weiterbildungen erfolgen. Ziel ist es, interdisziplinär vorhandenes Wissen so zu bündeln, dass MediandInnen bestmöglich begleitet werden können und dass dadurch eine größtmögliche Teilhabe von älteren Menschen an unserer Gesellschaft möglich wird.

6. Ansprechpartner

Web: https://fg-elder-mediation.bmev.de/

Ansprechpartner*innen für die Fachgruppe Elder Mediation im BM e.V. ist die Fachgruppenleitung:


Georg Koik, Frankfurt am Main georg.koik@remove-this.bmev.remove-this.de
Vera M. Mueller, München vera.mueller@remove-this.bmev.remove-this.de